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Gamals Traum

"Ich werde einmal Ingenieur!"
Sagte Gamal, und er war erst acht.
"Ich seh vor mir ein Häusermeer
Mit hellen Lichtern in der Nacht.
Auch will ich Straßen, Brücken bauen
Und eine Universität.
Die ganze Welt soll auf uns schauen,
Und staunen über das, was steht!"

Dort, wo seine Heimat wär,
Seit vielen Generationen,
Da war jetzt fremdes Militär;
Ließ sie dort nicht mehr wohnen.
Zurück durften sie nicht gehn;
Das Leben war sehr schwer.
Gamal wurde jetzt schon zehn,
und sprach: "Ich werde Ingenieur!"

Dann standen Panzer vor dem Haus.
Doch Gamal kannte diese schon.
Er lief zum großen Platz hinaus,
Und sah die Strafaktion.
Das Ende dieses Kriegs war offen;
Der Grund dafür schon einerlei.
Die Schule wurde heut' getroffen,
Und Lernen war für ihn vorbei.

Mit zwölf, fast war er schon ein Mann,
Wollt' man ihn zu den Waffen werben.
"Nein! Euer Krieg geht mich nichts an!"
Dann sah er seinen Bruder sterben.
Ein Terrorist sei er gewesen,
Für den der Tod die Strafe ist,
War in der Zeitung dann zu lesen.
Ein Wort, das Gamal nie vergisst.

"Als Terrorist will ich nicht enden,
Ich will auch keine Toten mehr!
Zum Guten wird sich alles wenden,
Und dann werd ich ein Ingenieur!"
Vierzehn war er grad geworden,
Und träumte seinen großen Traum.
Abgestumpft von all den Morden,
war in ihm nur noch dafür Raum.

Und doch, trotz dieser heißen Glut,
Da wuchs in seinem Herzen
Eine abgrundtiefe Wut;
Denn sein Volk litt große Schmerzen.
Und so war er gern bereit,
Die Freunde zu begleiten.
Mit sechzehn kam für ihn die Zeit,
Für den gerechten Sieg zu streiten.

Sein Freund war nur noch das Gewehr,
doch lernte er, es zu hassen.
"Ich wär so gerne Ingenieur!"
Er konnte von dem Traum nicht lassen.
"Du bist für Anderes geboren!
Du kommst direkt ins Paradies!
Gott selber hat Dich auserkoren!"
Mit achtzehn sagte man ihm dies.

Von Jungfraun würde er empfangen,
Vor Gottes Thron geleitet dann.
Nur wenige würden dies erlangen.
Jetzt war er ein heiliger Mann.
Mit Sprengstoff war er reich bepackt;
Doch in der Menschenmenge,
Da fühlte er sich plötzlich nackt.
Fremd war dieses Stadtgedränge.

Dann hob er trotzig seinen Kopf.
Das Träumen fiel ihm nicht mehr schwer.
"Jetzt drück ich diesen kleinen Knopf!
Im Paradies werd‘ ich dann Ingenieur!"

© 2006 Erwin Grab